Mittwoch, September 07, 2011

Die Sodomie-Keule aus dem „Fritzl-Land“

Oder: warum ich dann doch oft gerne nur der „Football-Hawi“ bin.

Um das alles nun nicht falsch zu verstehen, eines vorab: Ich mag den Fußballsport. Ich bin da ganz Masochist, da er in Österreich zwar sehr beliebt ist, aber international nicht besonders erfolgreich gespielt wird. Dabei befinden wir uns momentan sogar in einer Hochphase, mit Sturm, der Austria und den falschen Salzburgern in der Europa-League. Ich mache das (zuschauen) auch schon sehr lange. Mein Herr Papa war Schiedsrichter, sogar ein ganz guter, wie er sagt. Also zweite Bundesliga, dann war Schluss. Wimpassing (wo ich selbst noch spielte), Ternitz, Neunkirchen, Wiener Neustadt, Neudörfl, in Wien dann angekommen (1985) die Admira, die Rapid (Papa erzog mich zum Rapidler, was ich später ablegte), dann der FAV AC, seit ich „in Football“ mache die Vienna, weil ich die Hohe Warte auch als Location liebe. Ich bin kein ausgewiesener Taktikfuchs, aber ich konnte stets den Frauen die Abseitsregel erklären und kenne die Aufgaben des Sechsers auch dann noch, sollte es zwei von ihnen geben. Also quasi als Teamchef momentan sogar überqualifiziert.

Trotzdem gehört aus meiner Sicht das mal gesagt, denn mein Anspruch an einen Besuch eines Fußballspiels, der hat sich in den letzten Jahren gehörig von dem vieler anderer entfremdet. Ich gehe zum Fußball, weil ich Unterhaltung haben möchte. Ende. Mehr ist es nicht. Zwei Bier, drei bei einem Unentschieden, vier bei einem Sieg, ein Würstel und/oder eine Schnitzelsemmel und Freunde mit denen man das teilt. Sehr profan.

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47.500 Zuschauer kamen zum EM-Qualifikationsspiel zwischen Österreich und der Türkei ins Happel-Stadion, darunter 15.000 Türken, die – so schreibt es der ORF – das Prateroval schon vor dem Spiel in einen Hexenkessel verwandelt hätten. So richtig spannend wurde es aber erst, als die 32.500 Österreicher hinzu kamen, die sich während des Hexenkessels noch an den Wurstkesseln  gestärkt hatten.

Schon bei der Hinfahrt (Straßenbahn 18, 77 A) fiel mir auf, dass Fußball für Türken wohl mehr eine Familiensache ist, bei der alle Generationen vertreten sind. Im Gegensatz zu Österreich, bei der das eher eine Disziplin junger Männer zu sein scheint. Selten auch: Der Opa-Enkel-Ausflug. Gehört zum Erwachsenwerden halt dazu. Ich war da auch. 1973, auf der Pfarrwiese, zeigte mir Gustl Starek seinen nackten Popo. Seither bin ich ein besserer Mensch. Auch der Alkoholkonsum verteilte sich dementsprechend ungleich: Litschisaft/Almdudler vs. Ottakringer/eingenähter Flachmann. Für mich die skurrilsten Erscheinungen: Türken mit Utensilien beider Mannschaften. Gemischt wurden alte Hakan Sükür-Jerseys mit rot-weiß-roten Fahnen und Halbmond-Capes mit Tirolerhüten (sic!). In so mancher Brust schien ein zweites Herz zu schlagen. Oder ein Glory-Hunter.

In meinem Sektor (D) kam, als ich noch auf meinen Kartenkurier wartete (danke Stefan an der Stelle für das Ticket), der Befehl an: Ab jetzt keine türkischen Fahnen und Transparente mehr, weil „der D soll rein österreichisch gehalten werden“. Was alleine deshalb schon zum Scheitern verurteilt war, da drinnen ja bereits der Kessel der Hexe am Dampfen war und man zuvor schon fest gemischt hatte.

Ich kann den reinen Türken-Sektor nicht verteidigen, da dieser am anderen Ende des Ovals war, man hörte wohl die Pfiffe aus der Ecke, die schnell übertönt wurden, wenn Österreich am Ball war, was sich aber in meinem irrtümlich ethisch verunreinigten Österreicher-Sektor abspielte, das macht einem als Chronist des Footballs, wo kollektive mehrstündige Hirnaussetzer ausgeschlossen sind, dann doch einigermaßen sprachlos. Ich redete die zwei Stunden dort kaum ein Wort, finde jetzt erst zu mir. Ich weiß auch nicht, wie das Kollegen von mir seit Jahren aushalten. Vermutlich bekommt man in der Pressebox neben den VIP-Lounges das Geschehen auch nur am Rande, oder aus der Ferne, oder gar nicht mit. Sicher auch besser, wenn es der Job ist.

Das Publikum rund um mich wie gesagt zum überwiegenden Teil jugendlich, männlich und - dem Ereignis entsprechend - dem Gerstensaft zugetan. Weniger zugetan, das merkte man schnell, waren sie den Türken. Die Anwesenheit einer türkischen Minderheit, darunter eine erkleckliche Anzahl Frauen, verwandelte so manche Bierleiche alleine schon in einen rasenden Zömbie.

Unvermeidlich war – sozusagen die Pre-Game-Show - Rainhard Fendrichs „I am from Austria“. Beim Refrain ein Hobby-Etymologe neben mir alle seine Nachbarn darüber aufklärte, dass es „I am from Österreich“ heißen müsste, weil wir ja schließlich keine „scheiß Amis“ seien. Einer entgegnete „I am from“ sei auch „Scheißamisch“, was den Sprachinspektor vorerst zum Schweigen brachte. Womöglich dachte er auch nach, wer ihm den Rest übersetzten kann...

Vorm Ankick – es war ja auch Fair Play-Tag der FIFA (was wirklich niemanden interessierte) – lasen die Spieler vor, dass sie sich fair verhalten werden. Die Österreicher auf Deutsch und die Türken auf türkisch, wovon man aber nur das erste Wort hörte, denn beim zweiten hörte man nur mehr ein gellendes Pfeifkonzert. Noch halb so wild.

Beim Vorlesen der türkischen Spieler kam vom Platzsprecher der Vorname und aus dem Oval dann der Nachname. Die Türken spielten demnach im Tor, in der Abwehr, im Mittelfeld und im Angriff mit „Orschsau“, schenkt man dem profunden Publikum Glauben. Ich wunderte mich zum ersten Mal über meine Landsleute.

Das Spiel ging los, eine der jungen Frauen wachelte mit ihrer Türkenfahne und es wurde ihr von hinten schnell klar gemacht, dass sie das „Häuslpapier“ zu Hause lassen soll, sonst würde man es ihr entwenden und seiner auswischenden Bestimmung zuführen. Sie lächelte verlegen, packte das Teil weg, währen die Menge zum Kanton „Wer nicht hüpft der ist ein Türke“ aufstand (und hüpfte), ich mich durch Sitzenbleiben wohl verdächtig machte. Ich kam tatsächlich wegen des Spiels und nicht wegen dem „Österreicher müssen hüpfen, damit man sie nicht mit Türken verwechselt“-Contest.

Möglicherweise verstehe ich das alles auch gar nicht. Sicher werden einige nun sagen, ich bin ja eh ein bekanntes „Lulu“, ein Warmduscher, einer der sogar Football schaut und Curling gut findet und alleine deshalb schon auf einem Fußballplatz nichts verloren hat. Und falls doch, dann bei den „koksziehenden Pressefuzzis“, den „Vip-Platzschweinen“, bei den „Constantini-Hassern“ und sonstigen Nestbeschmutzern, die nicht verstehen, dass das da eine Jahrhunderte alte Kultur zelebriert wird und alles ganz genau so gehört, hätte man es erst mal verstanden, was man von so einem wie mir aber nicht verlangen könnte.

Als sich der Sprachforscher erholt hatte - man sah ein Tackling von hinten an einem Österreicher - schrie er Richtung des türkischen Übeltäters: „Herst, des kannst daham machen, mit dein Esel!“ Die Sodomie-Keule aus dem „Fritzl-Land“ in Minute 85 reichte mir dann auch. Ich hatte genug gesehen und gehört. Bei allem Verständnis für „originelles“ Bashing: Als Österreicher sollte man in Sachen sexueller Entgleisungen der grauslichen Art einfach den Ball ganz flach halten. Im Jargon: besser die Goschn halten.

Auf der Heimfahrt stieg in den 18er eine fünfköpfige türkische Familie zu und setze sich neben mir. „Schau net so traurig herst, in der ersten Halbzeit hamma eh gut gespielt“, so „Papa Türk“ zu mir. „Was meinst? Wer hat gut gespielt?“ „Wer auch immer“ und lachte. Da konnte ich zumindest Schmunzeln uns musste an Peter King denken, der nach seinem Österreich-Besuch als „weird austria fact“ bloggte: „Hitler was born here!“ Scheiß Ami eben.

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