Training hinter Mauern – Teil 2Das T-Shirt mit dem markigen Spruch „Ich bin kein Footballspieler“ hatte Sonntagnachmittag ironischer Weise einer an der genau das ist.
Armin Schneider trainiert mit mittlerweile 5 Kollegen seit einem Monat nun die Insassen der Jugendvollzugsanstalt Gerasdorf, und nach dem heutigen Tag passt dieses Leibchen inhaltlich keinem der knapp 20 Teilnehmer mehr. Die Häftlinge spielen mittlerweile Football als hätten Sie die letzten Jahre nichts anders getan.
Fotos bezeugen das. Nun ging man erstmals in voller Ausrüstung zur Sache.
Treffen im Turnsaal Eher gemächlich schlendern die Teilnehmer in den Saal – von den Coaches missmutig beobachtet. Damit wird es ab dem nächsten Mal Ratz Fatz vorbei sein. Auch hier wird die Disziplin einkehren, welche man am Spielfeld bereits (meistens) intus hat. Was man den Jungs höflich aber bestimmt vermittelt und diese das auch mit Nicken goutieren. Wir gasen an Chef! Die Coaches verteilen das restliche Equipment und teilen die Teamdressen aus (Bulldogs und Vikings* Jerseys). Es fehlt immer noch Equipment, da einige der Herren extraordinäre Körper und Kopfmasse haben.
| (Leih)Ausrüstung gesucht! Die Mannschaft ist im Groben bereits mit Equipment ausgestattet, wobei es da und dort zu Engpässen kommt, da nicht auf jeden Kopf jeder Helm passt usw. Dem Team fehlen dahingehend noch ein paar einzelne Ausrüstungsgegenstände und Zubehör. Sollte ein Verein diese gute Sache unterstützen wollen, sei es mit Helmen, Tapes, Trinkflaschen, Zahnschutz etc. dann möchten wir es bitten sich per E-Mail an Bruinsevents@gmx.at wenden. Auch ehrenamtliche Waterboys (Hi George!) Sind willkommen. |
An der frisch gesiebten Luft
Der Coaching Staff ist auf 6 Personen angewachsen. Zum Trio Mario Göpfert, Armin Schneider und Roland Drevensek gesellten sich nun die Herrschaften Benny Tier, Robin Lumsden und Michael Grätz. Gearbeitet wird nach dem Warm Up in Units, aber Genre übergreifend. Bis auf die Linemen, welche sich vom Rest abgesondert an die Wäsche gehen (Coaches Drevensek/Tier) und erst gegen Ende des Trainings beim gemeinsamen Scrimmage hinzustossen, sind die restlichen Abteilungen durchgehend am interagieren. Ein Konzept, welches so auch gewollt ist, da die „Leichtgewichte“ mitbekommen sollen was alle anderen machen.
| So sind Schneider und Göpfert als Trainer für alle Spieler abwechselnd Ansprechperson, Lumsden versorgt die WR mit präzise geworfenen Bällen und gibt Routen vor, Grätz übt mit CB/WR Duos, Göpfert holt sich mehr die RB zur Brust und Schneider hat ein Argusauge auf die Linebacker. Beobachtet man das Training und vergleicht man es mit denen von „echten“ Footballteams, ist mittlerweile kaum Unterschied mehr erkennbar. Die Herren haben viel verstanden – athletisch waren sie vorher schon sehr gut aufgestellt. |
Scrimmage vor Publikum
Den Abschluss des Trainings bildet immer ein Scrimmage, wo auch die Liner dabei sind. Da dieses Mal zur gleichen Zeit Ausgang im freien für alle Insassen angesagt war, kam man unverhofft zu einigen Zuschauern. Zuerst spielten diese zwar noch Fussball oder Basketaball, wanderten aber alsbald zum American Football ab, als sie sehen wollten was „da drüben abgeht“.
Spontan meldeten sich neue Spieler, doch das Boot ist für diese erste Fahrt bereits voll. Ein QB wird zwar noch gesucht, aber unter den Insassen wohl nicht gefunden werden, der Rest muss warten bis nach dem Match. Erst dann will man neue Spieler integrieren.
| Spieler gesucht! Die Coaches der Gerasdorf Bad Boys suchen für das Match am 23.09. noch einen QB. Vorzüglich nicht mehr aktive Spieler, die es aber noch drauf haben. Interessenten mögen sich per E-Mail an Bruinsevents@gmx.at wenden.
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Ausbilder weiterhin begeistert
Ganz angetan von der Bereitschaft ihres Klientels und dem professionellen Einsatz der Coaches zeigten sich die Ausbilder der Anstalt. Man habe viel probiert, zuletzt gab es ein gross angelegtes Tischtennisprogramm, aber ausser Spesen sei da nicht viel gewesen. American Football bereitet den Jungs scheinbar mehr Freude, bindet sie nachhaltig an ein Programm und man beginnt sich daher auch Fragen zu stellen. Was ist nach dem 23.09., dem Tag des Sportfestes? Geht es dann weiter? Kommt ihr denn wieder? Können wir eine Mannschaft stellen? Welche Kosten würden entstehen? Scheinbar ist man in Gerasdorf aktiv auf der Suche nach funktionellen Programmen für die Kids.
| Die Ausbilder sind eine Mischung aus Pädagoge, Aufpasser und väterlicher Drill Sergeant. „Meistens cool, wenn wir uns blöd aufführen eher uncool“, wie mir ein Safety zu berichten wusste. Sie wirken jedenfalls sehr kompetent und in der Sache bemüht. Keinesfalls „Dienst nach Vorschrift“ Schieber. Da klingelt es natürlich auch bei uns. Sinn der Sache ist ja nicht zu beweisen, dass man innerhalb von 2 Monaten aus 20 gut trainierten Sportlern ein Footballteam formen kann, sondern den Teilnehmern eine Perspektive für den Tag danach zu geben. |
Viele Spieler verlassen die Anstalt eher früher als später und man hätte gerne, dass die Talente unter ihnen bei Vereinen Anschluss finden. So gesehen sollte das Training keine temporäre Erscheinung gewesen sein, sondern als dauerhafte Einrichtung etabliert werden. Hier möchten ich auch alle aufrufen die etwas beitragen können und wollen es auch zu tun. Ich halte das für eine gute, sinnvolle und für alle wichtige Sache. Ein Footballspieler mehr - ist ein potentieller Wiederholungstäter weniger. Hat jemand seine Wurzeln in einem Footballverein geschlagen, kommt er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr so schnell auf dumme Gedanken. Diese Jugendlichen haben gelernt was Teamwork und Disziplin heisst, zwei ganz wesentliche Faktoren, verantwortlich für den Erfolg eines Footballteams.
Comish am Ball
Vor einigen Tagen hat sich laut den Coaches der AFBÖ Commissioner Christian Steiner dazu bereit erklärt eine Regelschulung für die Spieler im Gefängnis zu realisieren. Ein Termin wird noch vereinbart. Wichtige Sache, da die Spieler hier Flanken offen haben.
| Gutmenschlicher Wunschtraum Als ideale Entwicklung eines solchen Projekts, stellt sich der Schreiber die Sache so vor: man leiert es (genau so wie jetzt) an, überzeugt das Anstaltspersonal (schon passiert), überzeugt die Aussenwelt (bin grad dabei), zeigt den Politikern, welche am 23.09. beim Match dabei sein werden wie toll diese Sache ist, bekommt danach jegliche Unterstützung und baut kontinuierliche ein Footballteam im Häfen auf, aus dessen Entlassungsroster dann Teams Spieler rekrutieren. Da die Anstalt auch ein ordentlicher Sportverein ist und seinen Mitgliedern (Insassen) aus Ausgang gewährt, könnte man auch in der Division II antreten. |
Wobei einige der Coaches, mit dem Nebensatz „aber sag es denen nicht“ der Meinung sind, dass sie auf Dauer zu stark sind für die 3. Liga. Wirklich wahr!?
Die Idee in ferner Zukunft gegen eine gut gecoachte Gefängnis Truppe anzutreten hat jedenfalls Sex (bitte nicht falsch zu verstehen), macht sportlich wie soziologisch betrachtet Sinn, ohne dabei an das schlechte Gewissen plädieren zu müssen. Es ist was es ist. Nachvollziehbare Gedankengänge und synergetische Effekte für alle. Zuallererst für die Insassen, aber auch für die Institutionen, die Teams und für unsere Gesellschaft als ganzes. Das ist mein hochtrabender Ernst. Es wäre wünschenswert würde sich hier der Verband engagieren. Die Leute brauchen jede Unterstützung und wären diese in mehrfacher Hinsicht auch wert.
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Anmerkungen:
Es ist uns nicht gestattet Namen der Spieler zu nennen oder deren Portraits zu zeigen. Das ist eine Vorraussetzung für diese Berichterstattung. Wir haben nun eine Fotoerlaubnis vom Ministerium, dürfen wahrscheinlich vom Match dann auch Videos und Interviews zeigen. Wir bitten um Ihr Verständnis.
*bei der Heimfahrt ist mir aufgefallen, dass sich irgendwie das Vikings Shirt #4 in meinen Regenschutz gerollt hat (sicher unabsichtlich). Da es sich um kein Replica, sondern um das alte 2003er Original Jersey eines polnischen Importspielers handelt, habe ich natürlich sofort denjenigen kontaktiert dem es gehört, der mir aber versichert hat, dass er schon in Pension sei. Ich passe derweil darauf auf, sollte er es noch mal brauchen. Ich brauch es ja nicht, weil ich bin ja kein Footballspieler.