Montag, Juni 13, 2005

Business as unusual

Papa Joe’s Tyrolean Raiders II holen sich die Challenge Bowl

Challenge Bowl
Foto: Walter H. Reiterer
In einem kampfbetonten aber fair geführten Finale der Division II besiegte das zweite Team der Tyrolean Raiders die Budapest Wolves am Tivoli mit 24:6 und gewann damit den Meisterpokal der Division II - die Challenge Bowl. Die erste Entscheidung der heurigen Footballsaison ist damit gefallen, der erste von mehreren möglichen Titeln für die Raiders ging prompt an diese. Dabei sah es zuerst noch nach Budapester business as usual aus. In der Halbzeit noch knapp zurück, verließen sich die Ungarn auf ihre körperliche Überlegenheit und gingen alsbald auch in Führung. Doch verlassen hat sie am Ende ihre Offense (keine Punkte), geblieben und zwar standhaft, sind dafür die jungen Männer aus Tirol, welche sich diesen Titel errackert, erkämpft, aber vor allem erspielt haben.
Fotos auf unserer Mediaseite!
Interview Video (~15min.)
Teamnews: Papa Joe's Tyrolean Raiders II

Im Vorfeld des Finales gab es Unstimmigkeiten. Die Ungarn wollten das Match unbedingt in örtlicher Nähe zu ihrer Metropole austragen, damit die bekanntlich in Massen auftretenden Fans selbiges auch tun können. Innsbruck sahen sie eher nicht in der Nähe Budapests angesiedelt. Eine glatte Eins in Geographie. Daraus wurde nichts - mürrisch, aber mit magyarischer Höflichkeit (wir benehmen uns wie Gäste) zog man also gen Westen. Die Anmerkung Attila Àrpas eventuell nur mit einem dezimierten Kader anzureisen, erwies sich ebenso als Täuschungsmanöver, wie seine Prognose, daß kein einziger ungarischer Fan sich die 1500 Kilometer Reise antun würde. Die Wolves erschienen fast vollzählig und rund ums Stadion standen verdächtig viele PKWs und Vans mit ungarischen Kennzeichen herum. So sah man auch ein kleines, aber enorm lautstarkes Grüppchen Wolves Fans auf den Rängen, welche zumindest in Momenten in der Lage waren die akustische Untermalung der Heimmatches anzudeuten. Insgesamt fanden sich laut Veranstalter 250 Personen am Tivoli ein.

Papa Joe's Tyrolean Raiders II Budapest Wolves
Foto: Walter H. Reiterer
Das Match kam nur sehr langsam in die Gänge. Die Gäste begnügten sich vorerst damit die jungen Raiders nicht ins Spiel kommen zu lassen. Sie selbst fanden in einem in der ersten Hälfte von gegenseitiger Be- und Verhinderung geprägten Spiel ebenfalls nicht in selbiges hinein.
Nichts zu sehen vom Budapester Power Run, das Laufspiel funktionierte leidlich bis gar nicht so recht. Ihr Pech: es sollte sich nie ändern. Einzig zählbares Ergebnis nach den ersten beiden Vierteln war gerade mal ein Fieldgoal für die Tiroler. So gingen vor allem die Wölfe recht zufrieden in die Kabinen, lief bis dahin noch alles nach Plan.

Ein Interception Touchdown Return durch Béla Krausz gleich nach Wiederbeginn (3:6 PAT no good), sorgte dann sogar für Hochstimmung. Business as usual mochte der meinen, der die letzten Partien der Wolves beobachtet hat. Da hat die Armada in Rot-Schwarz zwei Viertel rotiert was das Roster hält und lediglich darauf gewartet, daß der Gegner mürbe wird. Hat bei den Knights, Cowboys, Gladiators und Blue Devils II zuletzt ja wunderbar geklappt. Alle haben sich an den stets neuen und frischen ungarischen Baumstämmen aufgerieben, waren spätestens im letzten Spielabschnitt platt wie die pannonische Tiefebene. Headcoach Lee Hlavka sagte anhand dieser empirischer Erkenntnisse zu seinen Spielern: „We got ’em - let’s go now.“

Dabei hat er mit zwei Dingen nicht gerechnet, die an dem Tag anders sein sollten, wie an jenen zuvor. Mit der Defense der Raiders II, perfekt dirigiert von Daniel Dieplinger und dem anhaltenden Unvermögen seiner eigenen Offense in diesem Finale. Kein einziger Punkt sollte der Angriffslinie der Wolves mehr gelingen. Das Laufspiel geriet zu einer einzigen Katastrophe, ebenso wie fast alle Snaps irgendwo, aber nur nicht in den Händen eines Ungarn landeten. Das gerade 14 Monate alte Team hat technische Flanken offen, breiter wie jedes Scheunentor eines Tiroler Großbauern. Mit solchen Fehlern kann man mittlerweile keinen Pokal mehr gewinnen, auch nicht in der Division II, wenn man es mit so einem Kaliber wie den Raiders zu tun hat.

Papa Joe's Tyrolean RaidersII Daniel Dieplinger
Foto: Walter H. Reiterer
Zudem hat Dieplinger seine Defense unter Einsatz all seiner Überzeugungskraft derart perfekt auf das kraftvolle Laufspiel der Ungarn eingestellt, daß Lee Hlvaka gar nichts anderes mehr übrig blieb als seine Quarterbacks passen zu lassen. Fast ein Ding der Unmöglichkeit, denn ist dieser bei den Wolves überhaupt nur deshalb am Spielfeld, damit irgendwer da ist, der dem Runningback den Ball in die Hand drückt. Hie und da sollte er noch zu einem TD sneaken, das war es dann im Groben aber. Diesen Job erledigt im Normalfall László Pacuk zur Zufriedenheit seines Headcoaches.
In diesem Match kam aber Sándor Madarász zum Einsatz, der die Raiders kurz Stutzen ließ. Der Mann spielte nämlich gar nicht mal so schlecht, brachte einige Passes an den Mann, scheiterte schlußendlich aber an den DBs der Raiders, welche die Receiver der Wolves aussehen ließen, als würden sie sich in Zeitlupe bewegen. Viel schneller die Spieler der Raiders als jene der Wolves. Das gleiche Bild zwischen D-Line und O-Line. Die Tiroler Defense gab rasch die 1-1 Verteidigung auf, ging dafür längere Wege, diese dafür aber um so schneller. Ein Gustostückerl der Taktik Dieplingers. Großartiger Football, was auch die Wolves neidlos anerkennen mußten.

So nahmen die Dinge, im wahrsten Sinn des Wortes, ihren Lauf. Die Raiders ließen sich nicht zermürben, biegen oder gar brechen. Genau das Gegenteil trat ein. Das Dessert zu diesem Football Gourmet Nachmittag lieferte Offense Coordinator Geoff Buffum. Anders wie Dieplinger, ruhig und auf Exekutive bedacht, stand der Headcoach der Raiders I vor seinen Mannen und erklärte wo es langgeht. Er schrieb sich zuerst mal auf seine linke Hand zwei wichtige Worte – DON’T PASS – um sich für die verbleibenden zwei Viertel immer daran zu erinnern, was er nicht mehr tun wird. Danach etablierte er ein herrlich vorgeblocktes Laufspiel über die Flanken mit Manuel Eisenführer, Christian Erhart und Damiano Grasso, womit die Wolves Defense so gar nichts mehr anzufangen wußte. Dieses Offensivspiel entzog sich den Playbook Studien der Ungarn offensichtlich zur Gänze. Nach sehenswerten Rushing TDs durch Erhart und Eisenführer im dritten Viertel, kam es aus Sicht des Publikums zum emotionellen Höhepunkt, als der 42-jährige Günther Kranebitter (#33) im letzten Viertel den Score zum Endstand von 24:6 herstellen durfte.

Ohne patriotische Reden schwingen zu wollen, aber das war schon ein gehaltvolles Stück österreichischer Maßarbeit, wenn eine Truppe talentierter und gut gecoachter Junioren mit einem Papa im Huddle, ein körperlich weit überlegenes Team ausmanövriert. Den Ungarn muß man ihre Unerfahrenheit zu Gute halten. Der Starting Quarterback hat im Januar 2005 (!) zum ersten Mal einen Football in der Hand gehalten, das ganze Team trainiert erst seit April 2004 miteinander. Dafür ist man sehr weit gekommen und man kann davon ausgehen, daß sich das Team sehr gut entwickeln wird. Zu den Raiders muß man schon auch sagen, daß sich in deren Formation mehr als ein halbes Dutzend AFL Spieler befindet. Egal ob es Milchgesichter sind, oder nicht. Es handelt sich dabei um Leute die Junioren (Big Boys) aber auch gegen AFL Teams spielen. Hier stimmt dann etwas nicht ganz, wenn man zwei Leistungsklassen darunter auch zum Einsatz kommt. Selbiges gilt übrigens auch für die Herren Kamber und Steffani (Blue Devils), 170 Kilometer weiter westlich zu Hause, welche als nicht Nationalteamkader taugliche Spieler auf einem 30 Mann Roster zu finden sind. Extremer und plötzlicher Leistungsabfall wie es scheint. Ja, wenn man alt wird…

Daher sei auch die Anmerkung erlaubt, daß eigentlich keines dieser beiden Teams 2006 noch etwas in der Division II zu suchen hat. Die beiden sind aus unterschiedlichen Gründen darüber anzusiedeln.

Im Detail
Die Wolves haben bereits ein Wolves II Team gegründet. Sie reisen zu Auswärtsmatches in einer Teamstärke an, welche nicht mehr wirklich darauf rückschließen läßt, daß es sich um ein Footballteam handelt, sondern um eine Einheit der ungarischen Armee, bereit sofort Rom zu erobern. Frage: Wollen sie Football spielen, oder alle Flughäfen Mitteleuropas besetzten? Auch ein Juniorenteam ist bereits in Planung, weil man dort gar nicht mehr weiß, wohin mit dem ganzen Personal. Dazu wird sich in Ungarn natürlich strukturell einiges verändern, daher wird das Team 2006 noch mal um eine Spur stärker und auch smarter auftreten können. Eine Überlegung der Wolves ist ihr Einser Team in die Division I zu stecken und mit den Leuten auch die 2006 stattfindenden ungarische Meisterschaft zu spielen. Das Team II könnte in der österreichischen Division II landen und ein Juniorenteam demnächst schon (2006) ante portas stehen. Der Verband ist gut beraten damit die Wolves auch im kommenden Jahr einzuladen in Österreich mitzuspielen, was er zweifelsohne auch tun wird und eventuell ist es auch eine Überlegung wert auch ihren Status etwas anzuheben (Thema: Mitspracherecht) um von deren Power weiter zu profitieren. Das Team zieht enorm viele Zuschauer an. Nicht umsonst überlegen sich die Veranstalter der Austrian Bowl das Budapester Team in einem freundschaftlichen Vormatch (vs Baden Bruins) bei der AB XXI auflaufen zu lassen. Volle Südstadt bei der Austrian Bowl?

Die Raiders wiederum haben vorher angekündigt in der Division II verweilen zu wollen. Davon sind sie angesichts des Finaltriumphs nun doch ein wenig abgekommen. Hat man im kommenden Jahr die Ressourcen zur Verfügung, kann man sich schon auch vorstellen in der Division I zu spielen. Man hat in Tirol in erster Linie den Vorteil des Teams im Auge, dann aber auch den Nutzen für die Liga. Dieser Nutzen ist aber nur dann gegeben, wenn diese Liga nicht zum Trainingscamp zweier überlegener Teams verkommt, sondern halbwegs ausgeglichen bleibt. Die anderen Teams anzuregen doch aufzuschließen ist angesichts der Größe der Lücke eher ein träumerischer Gedanke und auch ein wenig dekadent. Folgendes Szenario für 2006: Blue Devils II spielen nicht mehr, Cowboys fusionieren mit den Falcons; Rams, Gunners und Stallions rücken nach. Die Challenge dieser neuen Vereine im Duell gegen die Raiders II und Wolves wäre eine sehr hohe, umgekehrt für die beiden Klubs keine wirkliche Herausforderung, wenn als einzig erfahrene Gegner die Knights, Gladiators und Thunderbolts blieben. Ich sehe heute schon die Headlines: „Big Papa Joe’s Massaker“ oder „Wölfe reißen Widder“. Brauchen wir das?

Daher sollten beide Teams im kommenden Jahr in der Division I antreten.

Gratulation an die Papa Joe’s Tyrolean Raiders, an die Coaches Geoff Buffum und Daniel Dieplinger, welche sich diesen Titel wahrlich verdient haben.
Gratulation an die Budapest Wolves, die eine tolle Saison hingelegt haben und am Ende dieser am Tivoli gestanden haben um Tiroler Teenagern minutenlangen Applaus bei der Pokalübergabe zu spenden. Braver Wolf.

Challenge Bowl:
Papa Joe’s Tyrolean Raiders II vs Budapest Wolves 24:6
(0-0 / 3-0 / 14-6 / 0-7)
12.06.2005, Kickoff: 14.00h, Tivoli Neu, Innsbruck, 250
Referees: Pfennig / Lair / Kreimel / Praher / Obdrzalek

Football-Austria.com Spielbewertung (max. 10 Balls)
Spielniveau:
Ambiente:
Unterhaltungswert:
Pasta Test (Schweizer Bahn):

Football-Austria.com MVP:
Günther Kranebitter (Raiders II)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Congratulations Raiders II !
Nice and fair play was. I hope, we can meet each other again in the nearly future.

Budapest Wolves - #80