Sonntag, Juni 05, 2005

Vergesst Wisconsin!

Vikings demütigen Meister vor eigenem Publikum mit 12:62

Papa Joe's Tyrolean Raiders Chrysler Vikings Daniel Dieplinger
Ein trügerisches Bild. Jakob Dieplinger mit einem schönen Catch. Allerdings vor dem Ankick.
Foto: Walter H. Reiterer
Die Utah Offense sei zu uneffektiv, Shawn Olson ist mit seinem Kopf schon wo anders, die Raiders hätten die kurzen Passrouten bereits durchschaut usw. usf. Ich mag gar nicht mehr nachlesen, was ich tags zuvor über die „Schwächen der Vikings“ mir alles einfallen hab lassen, natürlich nur um mich am darauf folgenden Abend selbst Lügen zu Strafen. Eine kopflose Tiroler Mannschaft wird von den Chrysler Vikings zerpflückt, dass nach dem Match nicht einmal mehr Sprüche wie „in zwei Wochen wird’s sicher besser“ über die katastrophale Leistung des noch amtierenden österreichischen Meisters hinwegtäuschen konnten. Einziger Pluspunkt aus Tiroler Sicht war das Publikum, welches auch in der Stunde der heftigen Niederlage bis zum bitteren Ende zur Mannschaft hielt.

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Teamnews: Raiders - Vom Regen in die Traufe
Teamnews: Vikings - Tiroler Täuschungsmanöver Teil2


Ebenfalls völlig daneben mit seiner Vorab Analyse lag AFBÖ Präsident Michael Eschlböck, der im Namen des Verbands seiner Vorfreude Ausdruck verlieh, dass vor allem auf Seiten der Vikings die Imports in diesem Match geschont und damit mehr Österreicher zum Einsatz kommen würden. Nichts davon war zu sehen oder zu spüren. Die Wiener traten in ihrer stärksten Besetzung an, standen mit allen verfügbaren Legionären bis zum Endergebnis am Feld. Ebenso die Raiders, von deren hoch gelobten Offense an dem Tag aber nicht viel zu sehen war. Erst kurz vor Schluss bekamen die Backups auf Seiten der Vikings ihre Chance.

Der Meister nur in zwei Disziplinen meisterlich: Fumbles & Turnovers. Gezählte acht Mal gab man den Vikings den Ball „freiwillig“ zurück, die ersten Spielzüge der Tiroler bestanden bis auf einen kurzen Lauf überhaupt nur aus Fumbles. Perfekt hingegen die Vikings Offense. Je zwei Touchdowns von Lance Gustafson und Charley Enos machten bereits im ersten Viertel (!) alles klar. 0:27 nach 12 Minuten. Die Raiders kamen nicht einmal in die Nähe der Endzone der Vikings.

Fast das gleiche Spiel im zweiten Viertel. Die Innsbrucker prolongierten ihre „Fumble- Taktik“, die Vikings ihre Touchdown Spielzüge (Gustafson, Atwood) bis zum 0:42. Sekunden vor der Halbzeit erlöste Nick Eyde mit einem Pass auf Chris Rosier die Tiroler aus ihren schlimmsten Albträumen (zu Null Niederlage war an dem Tag durchaus drinnen). Ein geblockter Extrapunktversuch fixierte den Halbzeitstand von 6:42.

Der ehemalige Raiders Präsident Günther Bangratz zu Football-Austria.com in der Pause: „Unsere Taktik geht voll auf. Tarnen und Täuschen!“ Der ironische Unterton konnte aber nicht verheimlichen, dass es auch für ihn kein lustiger Nachmittag ist und vor allem nimmer werden sollte.

Denn wer sich zur Mitte noch dachte, dass die Raiders in der zweiten Hälfte besser ins Spiel finden werden, wurde eines Besseren belehrt. Zwar konnten die Tiroler gleich nach Wiederbeginn mit QB Nick Eyde auf 12:42 verkürzen, aber es sollte bereits der letzte Score der Men in Black in diesem Match sein. Alle Punkte danach waren violett. Mit den vielen Turnovers (diese verteilten sich auf das ganze Spiel) machte man es zwar dem Gegner denkbar leicht und das verzerrt damit auch ein wenig das Ergebnis, doch der wirkliche Knackpunkt aber war die evidente Hilflosigkeit der Raiders Defense gegen Shawn Olson und die Utah-Offense, welche dann vielleicht doch nicht so eine unpraktikable ist.

Die Raiders jedenfalls wussten nie so recht was gespielt wird. Kommt ein kurzer Pass auf Enos?, läuft Gustafson?, der lange Pass auf Atwood?, ein kurzer auf Gustafson?, oder geht gar Olson selbst? Ja, das alles und noch mehr! Kaum ein Spielzug wurde von der Tiroler Defense richtig gelesen und falls doch, half auch das nicht viel, denn auch ein erfolgreicher Blitz brachte meist noch immer einen kleinen Raumgewinn für die Wikinger ein. Heiliger Rasen!

Bezeichnend für die Unterlegenheit war der Mut zum Fatalismus des Platzsprechers. Gustafson läuft im ersten Versuch für 8 yards, wird also 2 yards vorm erneuten 1st down gestoppt. Der Sprecher: „Und wieder hat die Defense der Raiders gut (!) aufgepasst und ein 1st down verhindert!“ Im ersten Versuch galt das ab dem dritten Viertel schon als Erfolg. Es ging also gar nichts mehr bei den Tirolern und weiterhin alles bei den Wienern, die fast nach Belieben weitere Punkte erzielen konnten.

Der bereits im ersten Match mit 2 Kick off Touchdown Returns bei den Raiders ungut aufgefallene Wikinger Neil Maki (den man dieses Mal verhindern wollte) konnte es sich nicht verkneifen den Tirolern zu zeigen, dass der Tiroler Wille alleine keine Berge versetzen kann und lief erneut über das ganze Feld in deren Endzone (12:48). Ein Pass Olsons auf Enos (12:55) und noch einer (weil grad Zeit war) auf Atwood (12:62) stillte den Wikingerhunger und ließ die Backups aufs Feld laufen.

Zwar produzierten diese noch ein Einzelstück bester Tiroler Fließbandarbeit, nämlich einen Fumble inklusive Turnover, aber der Raiders QB wollte im letzten Spielzug nicht noch einmal in Fumblegefahr kommen, kniete für -1 yard nieder und ließ die Uhr auslaufen. Uff, geschafft!, oder so ähnlich.

Die beste Szene hatte das Raiders Team nach dem Match. Trotz dieser Blamage gegen den Erzrivalen gab es eine gemeinsame Welle mit den Vikings. Das Tiroler Publikum feierte ihre Mannschaft zwar nicht frenetisch, aber war scheinbar vom Match gar nicht so abgeturnt. Immerhin sah man viele schöne Spielzüge und Punkte, leider halt aus Tiroler Sicht für das falsche Team. Auch die Coaches und Spieler der Vikings gerieten nicht so recht in Siegerlaune. Zu hoch das Ergebnis, zu trügerisch könnte diese Sicherheit sein um sich darin zu wiegen für das was in zwei Wochen passieren wird. In diesem Match ging es um nicht viel mehr als um den Tabellenplatz und die Ehre. Am 18.06. geht es um den Einzug ins Eurobowl Finale und da wird man aller Voraussicht nach wieder ein anderes Tiroler Team sehen. Ob es aber so anders sein wird um diese Vikings zu schlagen, bleibt dahingestellt. So geht es jedenfalls nicht. Abzüglich der Turnovers hätte man das Match zwar knapper, aber immer noch klar verloren. Keine Fehler bei den Wienern, eine unberechenbare Offense und eine standhafte Defense. Die Niederlage der Vikings in ihrer Charity Bowl gegen die UWC Eau-Claire dürfte nicht nur vergessen sein, sondern dem Team sogar in seiner Entwicklung geholfen haben.

Jetzt mag es den einen oder anderen geben, der den Innsbruckern wirklich taktische Absicht unterstellen mag. Quasi: tun wir so, als seinen wir voll schlecht und dann verhauen wir sie in zwei Wochen! Es sei gesagt: das ist Blödsinn. Kein Team verliert zu Hause freiwillig gegen seinen Lieblingsfeind. Schon gar nicht in der Manier. Die Spieler der Raiders waren danach frustriert. Der Unterschied von 50 Punkten könnte dem Team sogar einen ordentlichen Knacks versetzt haben. Es kommt viel Arbeit auf Head Coach Geoff Buffum zu, um seine Mannen wieder aufzurichten. Nach dem Match war man auf Seiten der Raiders auch dementsprechend nervös. Keine Presse beim Team Huddle, selbst den ORF bat man für „2,3 Minuten“ mit der Kamera wegzugehen. Ein bisschen NFL Flair also. Das ist natürlich nach so einer Partie völlig zu akzeptieren, trotzdem wäre Football-Austria.com gerne als Mäuschen dabei gewesen. Vielleicht ist das ja alles wirklich nur eine große Tiroler Verschwörung und General Manager Daniel Dieplinger sagte zum Team im Huddle: „Great Job, now let’s do it andersrum in two weeks.“ Wir wissen es leider nicht.

Papa Joe’s Tyrolean Raiders vs Chrysler Vikings 12:62
(0-28 / 6-14 / 6-13 / 0-7)
04.06.2005, Kickoff: 17.00h, Tivoli Neu, Innsbruck, 2300
Referees: Arnold / Eberhard / Hofbauer / Savicevic / Kuntschik / Lair

Football-Austria.com Spielbewertung (max. 10 Balls)
Spielniveau:
Ambiente:
Unterhaltungswert:
Hot Dog Test:

Football-Austria.com MVP:
Shawn Tristan Olson (Vikings)

19 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für den guten Artikel

Anonym hat gesagt…

ja so ist das: erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. darum ist es so wichtig stärkere gegner wie die amis zu spielen!! nur so kann man sich steigern. aber am 18.ist der kas noch lang nicht gegessen

Anonym hat gesagt…

Guter Artikel, saubere Arbeit.

Aber der größte Unterhaltungswert ergibt sich wenn man Artikel und Verhaltensweisen vergleicht. So die "fachkundigen" Kommentare im Preview und die Erkenntnisse im Spielbericht. Lässt das Rückschlüsse auf die Qualität anderer "weils ja wahr ist Erkenntnisse" zu ?

Auch die Freude des Herrn Präsidenten über Aktivitäten hinsichtlich Legionärsverpflichtungen im Winter weicht jetzt einer ganz anderen Linie. Offensichtlich sind beide Herren eher die Freunde warmer Worte. Sonst wäre der eine wohl ein richtiger Journalist statt Paparazzi und der andere hätte im AFBÖ was weitergebracht, z.B. einen Ligasponsor.

Aber hier sonnt man sich im Verband eher unter den Aktivitäten von Vikings, Raiders und Devils.

Weiter so - freu mich auf die nächste Ausgabe von "Die ganze Woche".

Anonym hat gesagt…

Wirklich Ironie des Schicksals.
Zuerst noch über die Utah Offense und Shawn Olson hergezogen um sich sofort den Zorn von einigen Lesern zuzuziehen ,und dann wird man in dieser Manier Lügen gestraft.

Aber einige habens ja schon im Preview erwähnt. Die Utah Offense ist nicht zu stoppen, wenn sie richtig exekutiert wird. Und jetzt hat man das glaube ich zum ersten Mal gesehen.

Man kann jetzt nur hoffen, dass die Raiders gut trainieren und sich vor allem wieder voll motivieren, damit wir in 2 Wochen ein spannendes Spiel sehen.

BTW: Nach welchen Kriterien werden eigentlich die Game Balls vergeben?
mMn hat nämlich z.B. das Spielniveau nichts damit zu tun ob ein Spiel knapp ist oder nicht. Offensichtlich wird aber genau danach bewertet.

Anonym hat gesagt…

Ganz Gscheit!!
Keine Offense ist zu stoppen, wenn sie fehlerfrei exekutiert wird.

Anonym hat gesagt…

Niemand hat von fehlerfrei geredet.
Da gibt es wichtige Unterschiede.
Es gibt Offensesysteme, bei denen die Stärken des Systems durch die Defense unterbunden werden (Blitzes, Formations, Coverages, etc.).
Nur ist die Utah Offense darauf ausgelegt, dass einzelne Spieler dazu "gezwungen werden" Fehler zu machen, und dadurch unberechenbar wird.

Anonym hat gesagt…

Hab am Vormittag die ORF-Zusammenfassung im Sportbild gesehen. Die Raiders hatten ja wirklich einen rabenschwarzen Tag. Utah, Wisconsin, Alaska, was auch immer ... bei sieben Turnovers durch Fumbles ist es egal mit welchem Angriffssystem der Gegner spielt.

Anonym hat gesagt…

raiders in die division I!

Anonym hat gesagt…

haben eigentlich auch "nicht-import-spieler" auf beiden seiten punkte auf das score-board gebracht???

Anonym hat gesagt…

nur fehler von nicht-import spielern machten auf beiden seiten die punkte möglich :-)

Anonym hat gesagt…

geh bitte jetzt wirds echt scho fad, a jeder artikel endet in seinen gastkommentaren immer bei den sog. "import´s" - des is mittlerweile scho super lächerlich, also obs nur des thema gibt und alles was passiert im football auf des zurückzuführen ist. hörts bitte endlich auf jedes thema dorthinzuziehen - danke.

Anonym hat gesagt…

Dr. Scout? Damit haben Sie sich jetzt komplett disqualifiziert! Run & Shoot ist ein komplett anderes Offense-System und hat sicher nicht seine Wurzeln bei Tom Smythe!
Komisch auch dass die Vikings in diesem Jahr zum veranschaulichen des _neuen_ Systems Videos von Utah gezeigt bekommen haben! Warukm nicht von seiner High School?
Setzen - ungenügend!

Anonym hat gesagt…

Dr.Scout hat sich auch schon in anderen comments disqualifiziert...

wenn man sich die starting aufstellungen anschaut sieht man dass auch unter den startenden nicht-imports eineige dabei sind die aus anderen nachwuchsprogrammen stammen (z.B. #9, #23)

Anonym hat gesagt…

Immer diese Übertreibungen in Innsbruck. Aufrunden sei ja erlaubt aber immer um 1000 Personen ist schon ein bisschen übertrieben. Also die letzten beiden Spiele wurden von nicht mehr als 1500 Leute besucht.

Anonym hat gesagt…

Und das obwohl an 30.000(!!) Haushalte Freikarten verschickt werden.

Anonym hat gesagt…

Joe??? who da f... is joe????????

Anonym hat gesagt…

1. Fakt: Die Offense 2005 unterscheidet sich doch recht deutlich von der Offense 2004.
2. Fakt: "Run & Shoot" ist ein Name für ein Offense System, wie von Dir richtig toll gegoogelt, wie es die Oilers und auch die Lions gespielt haben - und dieses System von damals sieht ganz anders aus als das was die Vikings heuer spielen.
3. Fakt: Deppert was googeln und dann den G'scheiten markieren und dabei einfach irgendeine Definition posten ohne das Ergebnis zu verstehen gibt Dir nicht das recht herablassend zu werden
4. Fakt: Warum wurde eine Video gezeigt und viel Zeit in die Erweiterung des Offensesystems gesteckt wenn die Vikings, bzw. Tom Smythe DIESE Offense doch schon seit Jahren spielen? Richtig, weil es eben doch einige deutliche Unterschiede vorhanden sind.
5. Fakt: Ja, die Offense trifft deine Definition von Run & Shoot weil sie die Verteidigung unter Druck setzt auf die von Dir beschrieben Art - Der feine Unterschied ist dass bei der Run & Shoot die Options, auch mit 2 Runningbacks nicht vorgesehen war und das Laufspiel vom agressiven Passspiel profitiert hat. Der Ansatz also ein ganz anderer ist.

Recht gebe ich Dir einzig darin dass die Offense gut auf dem aufbaut was Smythe den Vikings bislang aus Übersee mitgebracht hat...

Anonym hat gesagt…

1) Du hast den Namen "Run & Shoot" ins Feld geführt, ich hingegen nie das Wort "Utah-Offense" in den Mund genommen. Ich wehrte mich lediglich gegen deinen Versuch die eindeutigen Unterschiede zur "Run & Shoot" und zu den bisherigen Vikingssystemen zu verwischen und alles am Herrn Smythe aufzuhängen.
2) Von studiert, wie auch von Dir angemerkt, kann man nicht reden bei einem Video von knapp 20 Minuten. Davon habe ich aber auch nie was gesagt... ich sagte "gezeigt bekommen"...
3) Muss man nicht im Vikings Locker-Room (gewesen) sein um von der Offense zu wissen oder was es mit einem neuen, erweiterten Spielsystem auf sich hat. Und vielleicht bist Du ja wichtig im Locker-Room weil Du offensichtlich auch von dem ominösen Video weisst...? Ich jedenfalls bin nicht wichtig, nicht im Locker-Room und habe mich nur wegen Punkt 1 gemeldet.

Wo ich Dir allerdings recht geben muss ist die vorzügliche adaptierbarkeit auf Gegner und Personal - und genau hier verdient sich Coach Smythe auch seine Credits, das macht er nämlich absolut hervorragend in meinen Augen (Siehe auch in den letzten Jahren, dieses Jahr vs. Graz usw.)

Anonym hat gesagt…

ich find die Aussagen "einziger Pluspunkt Publikum" etwas überraschend. Ich kenne nur das Innsbucker Eishockey-Publikum und das ist das besch...ste von ganz Österreich. Niemand lässt sein Team so links liegen als die Tiroler (wenn man solche Fans hat braucht man keine Gengner mehr...)

Gut zu hören dass es bei den Raiders anders ist....